graw böckler europatour 2001

dietmar saxler im gespräch mit graw böckler

dietmar saxler: wie sieht euer filmprogramm für die europa-tour aus?

graw boeckler: wir stellen uns den ablauf analog zu einem kinoabend vor. erst die werbung - bei uns allerdings"werbung für ideen" statt für produkte. dann ein paar abwechslungsreiche kurzfilme, danach der hauptfilm mit einem "chill out"

ds: für die jugendmesse"you" habt ihr in allen europäischen ländern gedreht. liegt in dieser reise auch die motivation für eure europatour begründet?

gb: die unterschiede zwischen den einzelnen eu-staaten so wie wir sie erlebt haben, waren frappierend. wir verspüren den wunsch dort auch das material zu zeigen, daß in den anderen ländern entstanden ist und so eine kommunikation zwischen diesen so unterschiedlichen orten zu erzeugen.

ds: fühlt ihr euch als europäer?

gb: ja. europa erscheint uns als noch unentdeckte spielwiese. letzte woche haben wir einen film in italien gezeigt. im ersten moment kommt es einem wie die reise in ein fremdes land vor. aber sowohl physisch, politisch als auch von den menschen her ist italien eigentlich ganz nah, ist sozusagen ein teil von uns. dieses gefühl, das eigentlich fremde zu subjektivieren und zu seiner eigenen welt werden zu lassen, ist was an europa großen spaß macht.

ds: der amerikanische film kann mit seiner englischen sprache einen riesigen markt abdecken. die filmindustrien in europa führen mit ihren verschiedenen sprachen ein nationales inseldasein. kann man eure entscheidung, filme nur mit musik und ohne gesprochene sprache zu machen, als strategie zur überwindung der sprachbarrieren in europa deuten?

gb: wir interessieren uns für die sprache des visuellen. die wird dort besonders wirkmächtig wo auf die unterstützung durch das erklärende, gesprochene wort des dialogs verzichtet wird. der zuschauer muß sich - will er verstehen - ganz auf das visuelle einlassen. dieses prinzip wird durch schriftelemente, die wir manchmal einsetzen, noch verstärkt. denn die worte befinden sich bei uns im offenen gegensatz zu den bildern. die inhalte entstehen in der wahrnehmung dieses gegensatzes.

ds: ist dieses vertrauen in die visuelle sprache auch der grund für eure lockerheit im umgang mit der musik zu euren filmen, wie sie aus dem konzept "musikvideo prét-a-porter"spricht?

gb: "prét-a-porter" heißt die kleidung, die schon fertig zum tragen ist, also nicht maßgeschneidert, sondern sozusagen «von der stange». das gleiche gilt für unsere musikvideos, die nicht ein musikstück begleiten oder den interpreten visualisieren sollen, sondern ein eigener film sind, zu dem dann auch unterschiedliche musiken funktionieren. die offenheit gegenüber der musik bedeutet eine offenheit gegenüber der interpretation unserer filmbilder. verschiedene musik kann auch eine unterschiedliche tonalität in die bilder tragen. das ist das spannende an einer life-vertonung, wie wir sie für die europatournee planen, das sie nicht schon vorgedacht ist, sondern im raum zum film stattfindet. der dj agiert wie ein zuschauer, der seinen gefühlen spontan über die musik ausdruck verleihen kann.